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Mittwoch, 29. September 2010

10 Gründe, warum Deutschland bald pleite ist

Ein neues Buch erklärt, was passiert, wenn wir uns immer mehr verschulden

Von Kai Konrad und Holger Zschäpitz*
Finanzminister Wolfgang Schäuble hat neue Schulden von 57,5 Milliarden Euro für das kommende Jahr angekündigt. Dabei hat Deutschland schon jetzt mehr als 1,7 Billionen Miese. Jeder Deutsche steht umgerechnet mit 22 000 Euro in der Kreide. Für die 1 700 000 000 000 Euro könnte man jedem Bundesbürger einen VW-Golf mit luxuriöser Sonderausstattung (Preis: rund 20 000 Euro) kaufen. 

In ihrem Buch „Schulden ohne Sühne? Warum der Absturz der Staatsfinanzen uns alle trifft“, erklären Max-Planck-Professor Kai Konrad und „Welt“-Redakteur Holger Zschäpitz, was passiert, wenn wir uns immer mehr verschulden.

• Milliarden für Griechenland & Co
Jede Privatperson, die dauerhaft über ihre Verhältnisse lebt, geht pleite.
Für Staaten der Euro-Währungsgemeinschaft scheint diese Regel nicht zu gelten. Griechenland hat gegen sämtliche Verträge und wider alle wirtschaftliche Vernunft Schulden aufgehäuft. Doch statt die Konsequenzen selbst zu tragen, sprangen die anderen Euro-Staaten ein, als die Zahlungsunfähigkeit der Griechen drohte.
Bis heute hat Berlin rund sechs Milliarden Euro nach Athen überwiesen. Nun stehen weitere Euro-Staaten wie Portugal oder Irland auf der Kippe. Deutschland hat für die europäischen Defizitsünder Bürgschaften von über 200 Milliarden Euro übernommen. Die auf dem Spiel stehende Summe entspricht drei Viertel eines ganzen Jahresetats des Bundes (307 Milliarden Euro)
• Explodierende Renten
Deutschland vergreist.
Hierzulande müssen immer weniger Erwerbstätige immer mehr Ruheständler alimentieren. Gleichzeitig steigt die Zahl der Bundesbürger, die Renten und gemeinschaftlich finanzierte Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Auf die Sozialkassen rollt eine Kostenlawine zu.
Mit entsprechenden Folgen für den Haushalt. Rechnet man die Garantien für die Sozialsysteme hinzu, addieren sich zur offiziellen Staatsschuld von 1,7 Billionen noch eine verdeckte von 4,3 Billionen
• Schrumpfende Bevölkerung
Die Zahl der Bundesbürger geht zurück. Jede Frau bekommt im Durchschnitt nur noch gut 1,3 Kinder. Um die Bevölkerung stabil zu halten, wären 2,1 Babys notwendig. Damit müssen immer weniger Bundesbürger die steigende Schuldenlast schultern. Das geht nicht ewig und endet im Zusammenbruch.
• Geldentwertung
Politiker können nicht verantwortungsvoll mit dem Geld ihrer Bürger umgehen. Die deutsche Geschichte lehrt das auf sehr drastische Weise. Ob die Hyperinflation der 20er-Jahre oder die Währungsreform von 1948: Gleich zwei Mal in den vergangenen 80 Jahren war das Geld nicht mehr das Papier wert, auf dem es stand. Deutschland brauchte zur Entschuldung stets einen Kapitalschnitt. Sparer gehörten jeweils zu den großen Verlierern. Auch müssen Halter von Lebensversicherungen, Bundesschatzbriefen, Riester-Renten oder Sparbüchern zittern.
• Werteverfall
Zerrüttete Haushalte schaden dem Gemeinwohl eines Landes, weil für elementare Staatsausgaben wie Sicherheit, Infrastruktur oder Bildung das Geld fehlt. Unser aller Privateigentum ist in Gefahr, wenn die Staatsfinanzen auf die schiefe Ebene geraten. Denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen – und die Verarmung von übermorgen.
• Bankenpleiten
Banken und Sparkassen (über die Landesbanken) halten in ihren Büchern Schuldentitel europäischer Wackelkandidaten in Billionenhöhe. Sollte es zu Staatsbankrotten kommen, wäre ein Großteil dieser Anlagen futsch. Und viele Institute pleite. Davon wären auch wir Sparer betroffen.
• Wirtschaftseinbruch
Langfristig werden die öffentlichen Kredite zu einer Bürde für das Wachstum. Denn ein immer größerer Teil des Bruttoinlandsprodukts muss für die Zahlung von Zinsen aufgewendet werden. Der Staat kann dann entweder die Steuern erhöhen oder aber die Ausgaben senken. Beides stranguliert das Wachstum. Und wenn die Wirtschaft lahmt, steigt die Arbeitslosigkeit und es steigen die Schulden – ein Teufelskreis.
• Radikalisierung des Parteienspektrums
Die Entwicklungen in Europa haben hierzulande politisch eine enorme Sprengkraft. Kaum einem Bundesbürger ist es zu vermitteln, warum Deutschland in den kommenden Jahren 80 Milliarden Euro sparen soll, um die Griechen zu alimentieren. Es besteht die Gefahr, dass ein wirklich cleverer politischer Unternehmer des linken oder rechten Spektrums daraus Kapital schlägt. Mit dem Slogan „Sparen für die Griechen – nein, danke“ lassen sich schnell Wählerstimmen mobilisieren.
• Bedeutungsverlust im Konzert der Großen
Wer das Geld hat, bestimmt die Musik. Das gilt auch auf der großen Weltbühne. Je mehr ein Land an Schulden aufhäuft, desto geringer ist sein politischer Einfluss auf dem Globus. China mit seinen soliden Staatsfinanzen ist schon heute der größte Gläubiger der USA und hält auch im großen Stile deutsche Schuldtitel. Die Welt bekommt bereits die finanziellen Muskeln der kommenden Großmacht aus Fernost zu spüren. Immer ungehemmter propagieren die Chinesen ihr Wertesystem von gelenkter Demokratie und Staatskapitalismus.
• Auseinanderbrechen Europas
Die Finanzkrise hat offenbart, dass Europa längst nicht so einig ist, wie uns dies die politischen Eliten Glauben machen wollen. Es spricht Bände, wenn die meisten Bundesbürger nach zehn Jahren Euro noch immer ihre D-Mark zurückhaben wollen. Wenn nun nach dem deutschen Vorbild der Länderfinanzausgleich auf ganz Europa ausgedehnt wird und Milliarden fließen, dürfte dies in der Bevölkerung der Zahlerländer wenig Begeisterung auslösen. Aber auch die Nehmerstaaten könnten sich düpiert fühlen. Und dies würde alte Ressentiments von den „kriegerischen Deutschen“ und den „faulen Südländern“ wieder zum Leben erwecken.
* Kai Konrad, Holger Zschäpitz: „Schulden ohne Sühne? Warum der Absturz der Staatsfinanzen uns alle trifft". Verlag C.H. Beck. 240 Seiten. 19,95 Euro.

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