... unsere amen Kinder!!!
Seit sechs Jahrzehnten sollen Kinder und Jugendliche von Priestern sexuell missbraucht worden sein. Viel mehr als bisher angenommen.
24 Priester sollen sich im Bistum Aachen in den letzten 65 Jahren an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Bis zu der Aufklärungsoffensive der Kirche waren nur acht strafrechtlich relevante Fälle bekannt, wie das Bistum mitteilte.
Von den 24 Priestern leben noch acht. Diese vorläufige Bilanz teilte Bischof Heinrich Mussinghoff den Pfarren seines Bistums in einem Brief mit. Darin bittet er die Opfer und die Familien um Entschuldigung, "für das Leid und den Schaden“, die durch den sexuellen Missbrauch entstanden seien.
Meisner: Barmherzigkeit muss für alle gelten
Der Missbrauchsskandal habe dem Ansehen der Kirche geschadet, sagte der Kölner Kardinal Joachim Meisner am Rande eines Medienempfangs in Köln. Das Erzbistum Köln habe alle ihm vorliegenden Verdachtsfälle aufgearbeitet. "Gott sei Dank haben wir aktuell nichts mehr“, sagte Meisner.
Im Erzbistum Köln gebe es vier Fälle, in denen die Opfer noch lebten, mit praktisch allen habe er persönlich und ausführlich gesprochen. "Und es gibt noch einen Täter, einen Priester, der alles zugegeben hat und bei dem ich nicht weiß, was ich mit ihm anfangen soll“, sagte Meisner. Ihn in einer Gemeinde arbeiten zu lassen, sei undenkbar, aber: "Ich kann ihn doch nicht in den Rhein werfen.“ Barmherzigkeit müsse für alle gelten, auch wenn das manchmal schwerfalle.
Die katholischen Bischöfe stellen heute ihre überarbeiteten Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche vor. Seit Mitte Januar erschüttert der Missbrauchsskandal die katholische Kirche in Deutschland. WELT ONLINE nennt wichtige Stationen der Entwicklung aus den vergangenen Monaten:
Mitte Januar 2010
Der Leiter des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, informiert in Briefen rund 500 Schüler der „potenziell betroffenen" Abiturjahrgänge 1975 bis 1983 über mögliche Missbrauchsfälle. Er entschuldigt sich für „ein Wegschauen" im Lehrerkollegium und im Orden. In den folgenden Wochen kommen zahlreiche Missbrauchsfälle durch katholische Priester und Ordensleute ans Licht.
Auch das oberbayerische Kloster Ettal und die Regensburger Domspatzen sind betroffen.
6. Februar
Laut Umfrage des „Spiegel" wurde in der katholischen Kirche Deutschlands seit 1995 gegen 97 Priester und Laien wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt. 8. Februar
Papst Benedikt XVI. verurteilt sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester. 16. Februar
Der Augsburger Bischof Walter Mixa führt den Missbrauch auch auf die zunehmende Sexualisierung des öffentlichen Lebens seit 1968 zurück. 22. Februar
Die Bischöfe entschuldigen sich bei ihrer Frühjahrsvollversammlung wegen der Missbrauchsfälle. 23. Februar
Nach dem von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geäußerten Vorwurf der mangelnden Rechtstreue der Kirche fordert die Bischofskonferenz ultimativ eine Korrektur. 25. Februar
Die Bischofskonferenz beschließt bei ihrer Vollversammlung einen Vier-Punkte-Plan, um Missbrauch konsequent aufzudecken. So sollen die Richtlinien von 2002 überarbeitet und die Priesterausbildung überprüft werden. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wird Sonderbeauftragter für Missbrauchsfälle.
7. März
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert einen Runden Tisch allein zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Die Kirche wehrt sich gegen Einseitigkeiten und fordert auch die Einbeziehung anderer gesellschaftlicher Gruppen. 9. März
Der Vatikan lobt die Bischofskonferenzen und Ordensleitungen in Deutschland und Österreich, sie hätten unverzüglich und entschlossen reagiert. 12. März
Erzbischof Zollitsch unterrichtet in Rom den Papst über die Missbrauchsfälle. Benedikt XVI. reagiert mit großer Betroffenheit. Der Missbrauchsskandal erreicht unterdessen den Papst selbst. Das Erzbischöfliche Ordinariat in München bestätigt Berichte, wonach in der Amtszeit von Papst Benedikt XVI. als Erzbischof von München und Freising ein wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit der Diözese eingesetzt wurde.
17. März
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert im Bundestag eine intensive Aufklärung aller Missbrauchsfälle an Schulen und in kirchlichen Einrichtungen. 24. März
Das Bundeskabinett beruft die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) als Missbrauchsbeauftragte und beschließt die Einsetzung eines Runden Tisches. 31. März
Die „Süddeutsche Zeitung" berichtet erstmals über Prügelvorwürfe gegen den Augsburger Bischof Walter Mixa. Einen Tag später dementiert der Bischof. 16. April
Mixa erklärt, dass er für die Zeit als Stadtpfarrer „die eine oder andere Watsch'n nicht ausschließen kann". Dies bedauere er. Geprügelt habe er aber nicht. 21. April
Mixa bietet dem Papst seinen Rücktritt als Augsburger Bischof und Militärbischof an. 23. April
Der Runde Tisch der Bundesregierung zu sexuellem Missbrauch tritt erstmals zusammen. 29. April
Die Erzbischöfe Robert Zollitsch und Reinhard Marx sowie der Augsburger Weihbischof Anton Losinger werden von Papst Benedikt XVI. in Audienz empfangen. Dabei kommt auch ein Missbrauchsverdacht gegen Mixa zur Sprache. 8. Mai
Der Papst nimmt den Rücktritt des Augsburger Bischofs an. 14. Mai
Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt stellt die Vorermittlungen wegen Missbrauchs gegen Mixa mangels Tatverdacht ein. 27. Mai
Die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue, legt ihren Abschlussbericht vor. Danach hat der Orden sexuelle und körperliche Gewalt gegen Kinder über Jahrzehnte systematisch vertuscht und die Täter gedeckt. 23. Juni
Der Missbrauchsskandal hat nach einer Studie die Einstellung der Bevölkerung zur katholischen Kirche verändert. Das betrifft vor allem religiös weniger Gebundene. So sank der Anteil derer, die der Kirche moralische Orientierung zutrauen, zwischen März und Juni von 29 auf 23 Prozent. 2005 lag er noch bei 35 Prozent. 9. Juli
Der Vatikan rehabilitiert die zurückgetretene Leitung des oberbayerischen Benediktinerklosters Ettal. Sie habe keine Fehler im Umgang mit Verdachtsfällen gemacht. 15. Juli
Der Vatikan verschärft die kirchlichen Strafnormen zur Ahndung sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. So beträgt die Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch nun 20 Jahre. 21. Juli
Die Staatsanwaltschaft Konstanz stellt ein Anfang Juni eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch ein. 9. August
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Bergmann, hält einen Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer für denkbar. Sie ermuntert kirchliche und weltliche Einrichtungen, eigene Vorschläge zur Entschädigung vorzulegen. 23. August
Die katholischen Bischöfe einigen sich auf eine Neufassung der kirchlichen Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch. Sie beraten auch über Entschädigungen. 10. September
Das Bistum Aachen teilt mit, dass sich in den vergangenen 65 Jahren 24 Priester an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Bis zu der Aufklärungsoffensive der Kirche seien nur acht strafrechtlich relevante Fälle bekannt gewesen. Von den 24 Priestern leben noch acht. Im Bistum Aachen wurden zwischen 1945 und 2010 sieben beschuldigte Priester strafrechtlich verurteilt. In einem besonders schweren Fall sei ein Priester, der in den 90er-Jahren mehrere Jungen im Bereich Krefeld missbraucht habe, zu vier Jahren Haft verurteilt worden, sagte Bistumssprecher Franz Kretschmann.
Ein strafrechtliches Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Dabei handelt es sich um einen in Südafrika lebenden deutschen Priester, der Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Krefeld erstattet hatte. Der Mann ist auch in Südafrika wegen Missbrauchs angeklagt, den er aber bestreitet. 15 angezeigte Missbrauchsbeschuldigungen waren verjährt. Die Beschuldigungen gegen drei der 24 Priester beträfen Taten in den 90er-Jahren bis 2010.
Bischof Mussinghoff habe diese Priester ihrer Ämter enthoben und suspendiert. In einem besonders schweren Fall habe das kirchenrechtliche Verfahren zur Entlassung aus dem Klerikerstand geführt. Er empfinde Mitleid mit den Opfern, stellte Mussinghoff fest.
Den Opfern Gehör verschaffen
So weit es in seinen Möglichkeiten stehe, werde er dazu beitragen, verlorenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. „Dazu gehört, den Opfern Gehör zu verschaffen und ihnen Hilfen zur Verarbeitung des Erlebten und Erlittenen anzubieten“, schrieb der Bischof in dem Brief, der am Wochenende in allen Gottesdiensten verlesen wird.
Mit dieser Bilanz stellt das Bistum seine Arbeit aber nicht ein. „Wir müssen sehen, was auf uns zukommt“, sagte Kretschmann. Möglicherweise meldeten sich ja nach der Veröffentlichung weitere Opfer.
Auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke hält den Missbrauchsskandal für „längst nicht erledigt“. „Die unschuldigen Opfer haben das Recht, dass sie zu Wort kommen. Unterstützen wir sie dabei“, schreibt Jaschke in einem Beitrag für das „Hamburger Abendblatt“. Die neuen Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz gegen sexuellen Missbrauch ermöglichten jetzt ein „klares, wirksames Handeln“.
Der Weihbischof räumte ein, dass die Kirche in der Vergangenheit vor allem auf ihren Ruf geachtet habe. „Die Opfer wurden mundtot gemacht und so doppelt geschändet“, sagte er. Die evangelische Hamburger Bischöfin Maria Jepsen habe mit ihrem Rücktritt jedoch „ein starkes Zeichen gesetzt, für eine Kirche, die glaubwürdig sein muss, die die Opfer nicht beschämt“.
Jepsen trat im Juli wegen des Vorwurfs zurück, nach einem Missbrauchsskandal in einer Kirchengemeinde nicht die nötigen Konsequenzen gezogen zu haben. Der Zölibat ist dabei nach Jaschkes Worten „nicht die Ursache der Schandtaten“. Zwar könnten sexuell gestörte Personen auch in ihn flüchten. Aber ein glaubwürdig gelebter Zölibat könne andere Kräfte freisetzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen