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Dienstag, 12. Oktober 2010

Stephanie zu Guttenberg – Frau frei von Fakten?

Stephanie zu Guttenberg – Frau frei von Fakten?

Redaktion

Die Frau des Bundesverteidigungsministers beklagt das angeblich große Geschäft mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern durch die kinderpornografische Industrie. Diese setzt nach ihren Angaben jährlich viele Milliarden Euro um. Mit der Realität haben solche Aussagen allerdings nichts gemein.

In den Tagen brach Stephanie zu Guttenberg nach eigenen Angaben öffentlich ein Tabu – sie unterrichtet die Menschen über den angeblich gigantischen Markt für Kinderpornografie. Sie will Verbrechen gegen Kinder im Internet bekämpfen, kennt allerdings offenbar die Fakten nicht. Denn in der Realität gibt es keine boomende und expandierende Kinderpornoindustrie – im Gegenteil. Die von der Brüsseler EU-Kommission geförderte Vereinigung The European Financial Coalition against Commercial Sexual Exploitation of Children Online teilt zum Thema Kinderpornografie im Internet mit: »Es gab einen signifikanten Rückgang aktiver kommerzieller Seiten. Die Betreiber kommerzieller Seiten verteilen Bilder, produzieren sie jedoch nicht. Die Bilder sind in der Regel historisch und werden wieder und wieder in Umlauf gebracht (…) Kommerzielle Seiten erzielen generell keinen hohen Gewinn; verglichen mit anderen Bereichen der Onlinekriminalität sind die Gewinne recht niedrig.«

Der angebliche Jahresumsatz der Kinderporno-Industrie in Höhe von 24 Milliarden Dollar (17,2 Milliarden Euro) existiert nach allen vorliegenden Studie so wohl nur in der Vorstellungswelt der Minister-Gattin. In europäischen Sicherheitskreisen oder bei Kinderschutzorganisationen würde man nie behaupten, dass es eine boomende und expandierende Kinderporno-Industrie gibt. Denn in den vergangenen Jahren wurde nirgendwo auch nur ein Filmstudio enttarnt, in dem jemals auch nur ein kommerzieller Kinderporno-Film gedreht wurde. Tatsache ist demgegenüber, dass Privatleute in Familien den Missbrauch von Kindern filmen oder fotografieren und solche Aufnahmen mithilfe des Internets auch tauschen. 80 bis 90 Prozent aller Fälle von Kindesmissbrauch finden im sozialen Umfeld des Kindes statt: durch Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde der Familie. Wer Kindesmissbrauch und Kinderpornografie ernst nimmt, der müsste hier ansetzen, obwohl auch die Zahl solcher Fälle dank einer erhöhten Wachsamkeit der Bürger und Behörden stark rückläufig ist. Denn seit Jahrzehnten sind Kinderpornografie und Kindesmissbrauch weltweit geächtet. Und Kindesmissbrauch ist schon lange kein gesellschaftliches Tabu-Thema mehr. Das haben jüngst erst auch zahlreiche Kirchenvertreter in Deutschland zu spüren bekommen, deren Missbrauchsfälle häufig Jahrzehnte zurückliegen.

Was also bezwecken die in vielen Talkshows wiedergegebenen Aussagen der Stefanie zu Guttenberg? Die Antwort lautet wahrscheinlich: Prominente wie die Guttenbergs wollen sich als Kinderschützer profilieren. Das ist legitim. Doch Stefanie zu Guttenberg ist nun auch noch als Moderatorin und Unterstützerin einer neuen RTL-II-Serie angetreten (Tatort Internet), die Kinderschänder und Minderjährige vorsätzlich über das Internet zusammenführt und dann filmt. Felizitas Küble, Leiterin eines christlichen Jugendverlags in Münster, schreibt über die neuen Aktivitäten der Frau von Guttenberg: »Stephanie zu Guttenberg wäre anzuraten, sich in Zukunft auf Kochbücher, Modefragen oder ähnlich geartete Themenfelder zu konzentrieren, die ihrem geistigen Horizont vermutlich näherstehen.« Wie viele andere Fachleute kritisiert sie die Selbstvermarktung der Prominenten.

Die Kritik an Stefanie zu Guttenberg ist wohl nicht ganz unberechtigt. Denn ihrem öffentlichen Einsatz für Kinderrechte steht eine Realität gegenüber, die offenbar weder sie noch die Politiker ihres Umfeldes zur Kenntnis nehmen: Kaum zwei Kilometer vom Deutschen Bundestag entfernt ist in Berlin in der Kurfürstenstraße der »Babystrich«. Jungen und Mädchen, die zum Teil noch nicht einmal 14 Jahre alt sind, werden dort von abartigen Freiern für Kindersex gekauft. Das alles passiert nicht etwa im Verborgenen – es geschieht mitten am Tag und mitten in der Öffentlichkeit. Nicht einer jener Politiker und Vorkämpfer gegen Kinderpornografie, die in Talkshows ihr eigenes Saubermann-Image pflegen, hat sich jemals dafür eingesetzt, den schlimmsten Schandfleck der deutschen Hauptstadt dauerhaft zu beseitigen. Im Gegensatz zur angeblichen gigantischen Kinderporno-Industrie im Internet sind diese missbrauchten Kinder traurige Realität. Immer wieder berichten Journalisten über den Babystrich in der Bundeshauptstadt – geändert hat sich nichts.

Bei Frau von Guttenberg kommt diese Realität der abartigen deutschen Kindersex-Szene bislang schlicht nicht vor. Sie führte lieber neben dem ehemaligen Hamburger Innensenator und Polizeipräsidenten Udo Nagel durch die RTL-II-Sendung (Tatort Internet), um Kinderschänder und Minderjährige vorsätzlich über das Internet zusammenführen und filmen zu lassen. Vielleicht hätte sie sich über diesen Ex-Polizeipräsidenten Nagel zuvor ein wenig informieren sollen. Denn der Super-Polizist, der nun bei RTL Kindersex im Internet enttarnen soll, verdient unser aller Mitleid. Der Mann fällt nämlich auf die ältesten Ganoventricks herein und ist eher ein abschreckendes Beispiel für Naivität denn ein Vorbild. Nagel wurde auf der Straße von einem Fremden angesprochen, der behauptete, er komme gerade von einer Haushaltswaren-Messe und habe im Kofferraum seines Fahrzeuges wertvolle Haushaltsgegenstände, die er leider nicht alle im Flugzeug mitnehmen könne. »Glückspilz« Nagel erhielt das Angebot, die Waren zum »Vorzugspreis« auf der Straße zu erwerben. Der Verbrechensbekämpfer kaufte Kochtöpfe und Bestecke für 48 Personen im Gesamtwert von angeblich mehr als 2.000 Euro für wenige hundert Euro. Natürlich schwarz und ohne Rechnung. Und natürlich war es ein alter Ganoventrick: Der Vorzeige-Cop erhielt billigsten China-Ramsch zum extrem teuren Preis. Die Staatsanwaltschaft, bei der er Anzeige erstattete, rieb sich verwundert die Augen. Vielleicht kann Frau zu Guttenberg bei ihrem Co-Moderator nun einige wirklich »günstige« Haushaltswaren erstehen. Denn Ex-Polizeipräsident Udo Nagel hat die Beweisstücke inzwischen aus der Asservatenkammer zurückbekommen. Frau zu Guttenberg hat zwischenzeitlich wohl eingesehen, dass ihre jüngsten Auftritte für den Kampf gegen Kinderpornografie eher wenig hilfreich waren. Sie steht der neuen Fernsehserie „Tatort Internet“ ab sofort nicht mehr als Moderatorin zur Verfügung.

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