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Samstag, 16. Juli 2011

Die Henker von Bangladesch

Die Henker von Bangladesch

16.07.2011, 11:01 Uhr | Von Shafig Alam

Als Henker hat Babul Miah 17 Menschen umgebracht. Er möchte nicht erkannt werden (Foto: AFP)

Als Henker hat Babul Miah 17 Menschen umgebracht. Er möchte nicht erkannt werden (Foto: AFP)

Babul Miah kam als Teenager ins Gefängnis für einen Mord, den er nach eigenen Angaben nie begangen hat. Als er zwei Jahrzehnte später aus der Haft entlassen wird, hat er 17 Mithäftlinge in den Tod geschickt. Miah war Henker, einer von etwa 15 speziell ausgebildeten Insassen, die in den Gefängnissen von Bangladesch Exekutionen ausführen. Dafür gibt es Hafterleichterungen und Strafverkürzung.

"Der Gefängnisdirektor sagte mir, wenn ich Henker werde, würden sie für jede Hinrichtung zwei Monate von meiner Strafe abziehen", erzählt Miah. "Er sagte, es sei ein einfacher Job, also habe ich gerne angenommen." Als 17-Jähriger wurde er zu 31 Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Darstellung ging er für seinen Bruder ins Gefängnis, nachdem dieser bei einem Ehestreit einen Nachbarn getötet hatte. Seine Familie habe ihn zu dem falschen Geständnis überredet, weil sie bei ihm auf eine Jugendstrafe hoffte.

Hundertfacher Tod durch den Strang

Bangladesch übernahm die Todesstrafe von seinen britischen Kolonialherren und richtete seit 1971 rund 470 Menschen hin. Mehr als 1000 Häftlinge warten im Todestrakt auf ihre Hinrichtung. Bangladesch zählt neben Singapur, Japan und dem Iran zu den wenigen Ländern weltweit, in denen noch durch Erhängen hingerichtet wird. Die Vollstrecker in dem südasiatischen Land sind allesamt Häftlinge wie Miah, die lange Strafen absitzen.

"Den Job kann man nicht machen, wenn man Gefühle zeigt oder zartbesaitet ist", sagt er. "Fehler darf man auch nicht machen, die Wärter werden dann sehr böse." Er lernte, den Galgen vorzubereiten, eine Schlinge zu knüpfen und den Verurteilten nie in die Augen zu schauen. "Ich führte den Gefangenen zum Galgen, legte die Schlinge um seinen Hals und drückte den Knopf für die Falltür."

Zum Teil entsetzliche Szenen

Miah erlebte grausame Fälle, bei denen die Schlinge nicht genau auf Größe und Gewicht abgestimmt war - so bei der Hinrichtung des Rebellenchefs Siddiqur Rahman, der für Bombenanschläge mit mindestens 28 Toten im Jahr 2005 verurteilt wurde. "Rahman war riesengroß. Ein paar Minuten nach Öffnen der Falltür riss die Schlinge seinen Kopf ab", berichtet Miah. "Es war eine entsetzliche Szene." Im Januar 2010 exekutierte er fünf Armeeangehörige für das Attentat auf Scheich Mujibar Rahman, den Gründer der Nation. "Einer von ihnen war behindert und weinte, als ich ihn zum Galgen führte. Ein anderer schaute mir nur in die Augen und fragte, ob die Zeit gekommen war."

Diese Hinrichtungen machten Miah über Nacht zur Berühmtheit. Ein TV-Sender drehte eine dreiteilige Dokumentation über ihn und Miah wollte über das Leben im Gefängnis reden: "Niemand spricht von der Überbelegung, dem verbreiteten Drogenkonsum, der Homosexualität", sagt er. Weil der Film einen "schlechten Eindruck" von den Gefängnissen vermittele, stoppte der zuständige Beamte seine Ausstrahlung.

Katastrophale Überbelegung

Menschenrechtsgruppen kritisieren den Strafvollzug in dem bitterarmen Land schon lange. Die 67 Gefängnisse sind für 27.000 Häftlinge ausgelegt, zurzeit jedoch mit rund 80.000 Menschen vollgestopft, so dass sogar das Essen knapp wird. "Wenn ein Häftling wohlhabend ist, kann er Handys, Essen, Alkohol und Drogen einschmuggeln", sagt Miah. "Aber für die Armen ist jeder Tag die Hölle. Man muss in Schichten schlafen." Verpflichtet sich ein Häftling als Henker, bekommt er besseres Essen und mehr Platz.

Im vergangenen Jahr wurde Miah im Rahmen einer Amnestie freigelassen. Der heute 40-Jährige kehrte in sein Heimatdorf zurück, nahm seine Arbeit als Bauer wieder auf, heiratete und wird bald Vater. Von seiner Vergangenheit als Henker weiß dort niemand.

Quelle: AFP

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